HOUSING FIRST IN KOBLENZ

Housing First bezeichnet ein Konzept, das von Dr. Sam Tsemberis 1992 in New York entwickelt wurde, um die Obdachlosigkeit vor allem von Menschen mit komplexen Problemlagen zu bekämpfen. Aufgrund der hohen Erfolgsquote erlangte es wachsende Popularität und wurde bereits in weiten Teilen Amerikas, Kanada sowie einigen europäischen Ländern umgesetzt. 

Das “Recht auf Wohnen” ohne Vorbedingungen ist der Grundsatz des Housing First Ansatzes. Mit dem Förderprogramm “Housing First in Rheinland-Pfalz“ erprobt das Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung in Trägerschaft der AWO Koblenz modellhaft einen international erfolgreichen Ansatz zur Beendigung von Wohnungslosigkeit.  

 

Zielsetzung

Das Grundbedürfnis eines jeden Menschen ist ein sicheres Zuhause, welches die Basis für eine Regeneration der Selbsthilfekräfte und die Aktivierung der vorhandenen Ressourcen darstellt. Dieses soll jedem Menschen ermöglicht werden. Denn jeder Mensch hat das Recht auf eine eigene Wohnung, das Recht auf Schutz, Geborgenheit, Privatsphäre und Normalität. 

Mit Housing First soll eine Versorgungslücke für wohnungslose Menschen in der Stadt Koblenz, die von den aktuellen Angeboten nicht erreicht werden können, geschlossen werden. Das Konzept Housing First sieht vor, wohnungslose Menschen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf zu erreichen und sie durch die Bereitstellung eigenen Wohnraums in ihrer Selbstbestimmung sowie in ihrem Gesundheits- und Wohlbefinden zu stärken.  

Durch Housing First besteht die Chance wohnungslosen Menschen in Koblenz eine eigene und dauerhaft gesicherte Wohnung zu geben. 

Ansatz

Die Vermittlung eines regulären Wohnraums steht am Anfang des Hilfeprozesses. 

Housing First geht von einer niedrigschwelligen Wohnraumversorgung aus, die weitestgehend auflagenfrei sein soll. Die Akzeptanz des Menschen steht im Vordergrund und bedeutet, dass keine Abstinenz, Therapien oder sonstige Vorgaben Bedingung für den Wohnungserhalt darstellt.

Der aus den USA stammende Ansatz geht davon aus, dass sich die Fähigkeit, selbstständig in einer eigenen Wohnung zu leben, am besten unter realen Wohnbedingungen entwickeln kann und eine eigene Wohnung gleichzeitig die Grundlage für individuelle Stabilisierungsprozesse bildet. Zahlreiche Studien stützen diese Annahme. 

Wohnbegleitende Hilfen sind ein wichtiger Bestandteil des Konzepts Housing First, um einen dauerhaften Wohnungserhalt zu sichern sowie eine Verbesserung der Lebensverhältnisse zu erzielen. Die Unterstützungsangebote sollen darauf ausgelegt sein, die dauerhafte Wohnstabilität zu erhalten und eine Vermittlung zu individuellen Hilfesystemen zu ermöglichen. Dabei ist der Leitgedanke die Trennung von Wohnen und Betreuung, um den Betroffenen die Wahl- und Entscheidungsfreiheit zu ermöglichen. Dies soll gewährleistet werden durch ein kontinuierliches und aufsuchendes Betreuungsangebot, welches auf Freiwilligkeit beruht. Die Unterstützung ist hierbei flexibel, bedürfnisorientiert und unbefristet. 

Der gesamte Grundsatz beruht auf Selbstbestimmung. Die Betroffenen haben die Möglichkeit, die Unterstützungsmaßnahmen selbst zu steuern oder zumindest aktiv bei der Gestaltung mitzuarbeiten. 

Zielgruppe

Das Programm „Housing First in Rheinland-Pfalz“ richtet sich an erwachsene Langzeitwohnungslose, die vom etablierten Hilfesystem nach § 67 SGB XII nicht erreicht werden bzw. von diesem nicht hinlänglich versorgt werden können, da sie darin mehrfach scheiterten. 

Langzeitwohnungslose Menschen werden definiert dadurch, dass sie mindestens ein Jahr wohnungslos sind oder im bestehenden Hilfesystem nicht erreicht werden. 

Hierzu gehören Menschen mit multiplen psychosozialen Problemlagen wie:

  • Gravierende gesundheitliche Beeinträchtigungen
  • Chronische Erkrankungen 
  • Psychische Erkrankungen
  • Abhängigkeitserkrankungen
  • Überschuldung
  • Langzeitarbeitslosigkeit
  • Justizielle Belastungen 

Darüber hinaus muss der Wille bestehen, in einer eigenen Wohnung leben zu wollen. Das Recht auf Transferleistungen sowie die Bereitschaft und Fähigkeit zum gegenseitigen Austausch mit den angestellten Fachkräften muss sichergestellt sein. Die Fähigkeit einen Mietvertrag abzuschließen und die Bereitschaft zur Sicherung der Miete, Kranken- und Pflegeversicherung sowie Haftpflichtversicherung sollte ebenfalls vorhanden sein.

Ausschlusskriterien

Personen, die folgende Merkmale aufweisen, können nicht in das Projekt aufgenommen werden: 

  • die im etablierten Hilfesystem gut versorgt sind und sich gegenwärtig auf Wohnungssuche befinden
  • die aufgrund psychischer Erkrankung möglicherweise eine Selbst- oder Fremdgefährdung aufweisen
  • die aufgrund psychischer oder geistiger Beeinträchtigung nicht in der Lage sind, ohne eine 24 Stundenbetreuung selbstständig zu leben
  • die für die laufenden Mietkosten nicht aufkommen und nicht leistungsberechtigt sind
  • die nicht in der Lage sind, das Unterstützungsangebot wahrzunehmen

Aufnahmeverfahren der Teilnehmenden

Jeder wohnungslose Mensch kann sich für die Teilnahme am Projekt bewerben. Die Kontaktaufnahme kann telefonisch, per Mail oder persönlich erfolgen. Der Zugang kann ebenso über Einrichtungen und Dienste der Wohnungslosenhilfe, die Kommunalverwaltung oder andere Institutionen vor Ort erfolgen, die bereits Kontakt zur Zielgruppe haben. 

Sofern die Zugehörigkeit zur Zielgruppe vorliegt, werden die Interessenten zu einem Informations- und Kennenlerngespräch eingeladen. Das Gespräch wird in der Regel von zwei Mitarbeitenden geführt. Dabei sollen

  • die Rahmenbedingungen des Angebots vorgestellt,
  • das Vorliegen der persönlichen und formalen Zugangsvoraussetzungen geklärt,
  • das Vorliegen von Ausschlusskriterien geprüft und
  • das weitere Verfahren vereinbart werden

Danach treffen beide Seiten die Entscheidung über eine Teilnahme am Projekt. Bei positiver Entscheidung wird die Vereinbarung zur Zusammenarbeit mit dem Projekt abgeschlossen. 

Auch bei einer Entscheidung zur Nicht-Teilnahme kann ein positiver Effekt durch die Beratung innerhalb der Vorstellung erzielt werden, da möglicherweise andere Unterstützungsangebote aus dem Gesamtkonzept Wohnungslosenhilfe, die passgenauer sind, vorgestellt werden. 

Die 8 Prinzipien des Housing First Ansatzes

Folgende Grundprinzipien stammen aus dem offiziellen “Housing First Guide – Europe":

Eine auflagenfreie Wohnraumversorgung, im Rahmen derer eine mietvertraglich abgesicherte Wohnung als abgeschossene Wohneinheit mit eigenem Bad und eigener Küche zur Verfügung gestellt wird, bildet die Grundlage des Ansatzes. Daraus folgt, dass sich wohnungslose Menschen nicht erst das Recht auf Wohnen erarbeiten müssen – auch Menschen, die keine Behandlung oder Abstinenz bei einer vorhandenen Suchtmittelabhängigkeit anstreben, erhalten eine Wohnung. 

Die Teilnehmenden sollen selbstbestimmt entscheiden können, wie sie wohnen und welche Art der Unterstützung sie wünschen. Individuelle Bedürfnisse der Betroffenen spielen eine wichtige Rolle. 

Es soll eine räumliche und personelle Trennung von Vermietung und Unterstützung gegeben sein. Die Ablehnung von wohnbegleitender Hilfe führt nicht zur Kündigung. Bei Wohnungsverlust oder Wohnungswechsel erfolgt kein Abbruch der Unterstützung. Die Hilfe ist an die Person und nicht an die Wohnung gebunden. 

Es soll eine ganzheitliche Orientierung auf das Wohlbefinden der unterstützten Person erfolgen. Hierbei sind die wichtigsten Punkte die psychische und physische Gesundheit sowie das soziale Umfeld und der Grad an Inklusion. 

Suchtmittelabhängige Teilnehmende sollen durch eine enge Begleitung und geeignete Hilfsangebote dabei unterstützt werden, ihren problematischen Konsum zu verringern. Ein Großteil bestehender Gefahren, durch die gegebenen Lebensumstände der Betroffenen, können bereits durch die Unterbringung in einer eigenen Wohnung minimiert werden. 

Die Teilnehmenden sollen regelmäßig ermutigt werden, sich auf das sozialpädagogische und lebenspraktische Hilfsangebot einzulassen. Ihre Annahme beruht jedoch auf Freiwilligkeit und es erfolgen keine Sanktionen, insbesondere nicht den Verlust des Wohnraums. 

Die Hilfe soll auf die individuellen Bedürfnisse und Vorstellungen der Betroffenen zugeschnitten werden. Der Wille und der eigene Lebensstandard stehen im Vordergrund. Der Fokus liegt somit auf Wahlfreiheit und auf Entscheidungs-möglichkeiten. 

Der individuelle Hilfebedarf kann zu und abnehmen. Das Hilfsangebot soll flexibel daran angepasst werden. Die Hilfe erfolgt grundsätzlich zeitlich unbegrenzt, d.h. sie ist nicht an eine bestimmte Wohnung gebunden. Bei Wohnungsverlust wird versucht, eine weitere Wohnmöglichkeit zu organisieren. Die Hilfe wird beendet, wenn sie nicht mehr notwendig ist, kann aber bei Bedarf jederzeit wiederaufgenommen werden. 

Kontakt

Weitere Informationen zum Datenschutz hier.

AWO Kreisverband Koblenz Stadt e.V.
Hohenzollernstraße 59
56068 Koblenz

 Manfred Abu-Odeh 
  
0261-133 70 15
 0261-133 70 29

manfred.abu-odeh@awo-koblenz.de  


 

 Dennis Fassbender
     
0261-983 515 26
  0176 40701553

dennis.fassbender@awo-koblenz.de